August Rosterg
Wenn man sich heute versucht der Person August Rosterg zu nähern, so ist der Wissensstand bis Anfang der 1930-er Jahre relativ gut dokumentiert. Dazu beigetragen haben sicher die Biographie von Prof. Dr. Manfred Rasch oder die etwas ausführlichere Darstellung von Patrick Bormann in:" Unternehmer in der Weimarer Republik". August Rosterg, der als zehntes Kind einer kinderreichen Bergarbeiterfamilie in nicht besonders wohlhabenden Verhältnissen aufwuchs und schon sehr früh zielgerichtet seine Bildung verfolgte. Seine Kompromisslosigkeit bei dem ihm gestellten Aufgaben zeigte er, nach Ausführungen von Bormann, bereits in einer seiner ersten Anstellung in Heringen. Als Betriebsführer, Rosterg war gerade Ende 20, hatte er mit Autoritätsproblemen zu kämpfen. Interessant ist die Tatsache, wie er diese entgegentrat, indem er seine Anweisungen nur noch schriftlich formulierte und sich damit jeder Diskussion entzog. Dieser rote Faden wird sich durch sein Leben ziehen.
Rosterg hatte bis zum Ende der 1920-er Jahre die Wintershall weitgehend mit Hilfe von Günther Quandt umgebaut und seine Stellung im Konzern manifestiert. Seinem rein wirtschaftlichem Denken ordnete er alles unter. So ist es auch nicht verwunderlich, das Rosterg eine straffere Wirtschaftslenkung Ende der 1920-er Jahre in verschiedenen Zeitungsartikeln forderte, die sich an den Bedürfnissen der Industrie zu orientieren hatte und politische Einflussnahme komplett außen vor lassen sollte. Seine große Angst vor bolschewistischen Umtrieben, Arbeiterstreiks und die Ablehnung einer parlamentarischen Demokratie veranlasste ihn frühzeitig sich an die neu aufkommenden Nationalsozialisten anzulehnen und zu protegieren. Seine Teilnahme an einer Beratung von Großindustriellen mit Hitler, am 26.1.1932 im Parkhotel in Düsseldorf, ist allgemein bekannt. Die daraus hervorgegangene Unterstützung der NSDAP und Mitgliedschaft im Keppler-Kreis (späterer Freundeskreis Reichsführer SS H. Himmler) auch. Anfang der 1930-er Jahre wendete sich Rosterg dem Erdölgeschäft zu. Ausgangspunkt war die Schlagwetterexplosion im Schacht Volkenroda die eine Erdölblase hervorbrachte. 1936 beginnt der Bau des Werkes Lützkendorf im Zuge des Vier-Jahresplanes. Die Verschärfung der Ausgrenzung der Juden in Deutschland, veranlassen die Erben des J. Petschek-Gruppe sich von Ihren Kohlefeldern im Geiseltal zu lösen. Dazu verhandeln sie mit Rosterg und der I.G.- Farben. Trotz seiner guten Vernetzung im Freundeskreis Reichsführer SS H. Himmler, kann sich Rosterg nicht gegen Flick (Duldung durch Göring) durchsetzen, der diese Verhandlung an sich reißt. 1938 kauft Wintershall über Flick letztendlich die Kohlefelder. Den mittlerweile 68-jährigen Rosterg begleiten seit Jahren gesundheitliche Probleme. Diese lässt er durch den Physiotherapeut Felix Kersten behandeln. Rosterg ist ein langjähriger Patient von Felix Kersten und von dessen Behandlungserfolgen so fasziniert, dass er ihm statt des geforderten Honorar von 5000,-RM einen Scheck über 100.000,- RM ausstellte, was Kersten 1934 zum Erwerb des Gutes Harzwalde verwendet haben soll. 1939 soll August Diehn, auf Anraten Rosterg's, Kersten H. Himmler vorgestellt haben. Kersten stieg zum persönlichen Physiotherapeuten H. Himmlers auf. Bei einem heftigen gesundheitlichen Anfall 1940, ließ Himmler nach Kersten rufen der ihn umgehend behandelte und seine Schmerzen eindämmte. Voller Dankbarkeit befand sich Himmler in einem schwachen Moment, was Kersten ausgenutzt haben soll und als Honorar die Freilassung eines Vorarbeiters August Rosterg verlangte, der sich auf Grund sozialdemokratischer Einstellungen in einem KZ befand. Der Generaldirektor der Wintershall bat Kersten um Fürsprache bei Himmler. Ebenfalls protegierte Rosterg Dr. Ernst Nagelstein, der im Werk Lützkendorf 1942-1944 dienstverpflichtet war. Nagelstein war Halbjude und setzte sich im März 1944 nach Paris, unter falschen Namen, ab. Später wird er noch eine Rolle bei der Suche nach der deutsche Atombombe spielen (ALSOS-Mission). Diese beiden Beispiele passen nicht so recht in das Bild, geht man von den Aussage Walther Funks in den Nürnberger Prozessen aus, die Rosterg als überzeugten Nationalsozialisten deklarieren. Auch ein Brief Fritz Kranefuß an Himmler vom 21.4.1943 (NUERNBERG MILITARY TRIBUNALS, Flick Case) wirft Fragen auf:
"...Wenn ich nach Ihren jüngsten Erklärungen, Reichsführer, nicht mit Ihrer eigenen Teilnahme an den Versammlungen des Freundeskreises rechnen kann, muss ich es als meine Pflicht ansehen, den Zirkel noch fester zusammenzuhalten. Ich kann nicht dulden, dass sich verschiedene Herren, wie zum Beispiel Herr Rosterg und andere, entschuldigen, indem sie begründen, dass der Reichsführer SS wahrscheinlich auch nicht da wäre. Wir müssen vielmehr nach dem Grundsatz handeln, dass eine Einladung der Reichsführer-SS als besondere Auszeichnung zu betrachten ist und aus diesem Grund akzeptiert werden muss, unabhängig davon, ob die Reichsführer-SS persönlich anwesend ist oder nicht. Wenn ich diesen Grundsatz nicht klar formuliere, d. H. Wenn ich ihn nicht durchsetze, besteht die Gefahr, dass die Einladungen des Reichsführers SS nicht ausreichend bewertet werden..."
Geht man jedoch von einer rein wirtschaftlichen Denkweise August Rosterg aus, so ist dies sicher eher zu verstehen. 1944 überredete Kersten, nach seinem Buch "Klerk en beul", Himmler für Rosterg ein Visum in die Schweiz auszustellen. Später wurde dieses Visum für das neutrale Schweden umgewandelt, da Rosterg 1944 Deutschland unbedingt verlassen wollte. Im schwedischen Reichsarchiv existiert ein Visumsantrag für Rosterg und sein Haushälterin/Sekretärin Martha Beyer vom Mai 1944 (Ankunftszeit voraussichtlich Juni 1944). Als Führsprecher fungierten Bankdirektor Jacob Wallenberg Senior (Enskilda Bank) und Arvid Richert (Schwedische Gesandtschaft Berlin). Grund der Reise nach Stockholm war eine Reorganisation der Vertriebsorganisation in Schweden. Rosterg reiste vermutlich im August-Oktober abermals nach Deutschland (Ankunft Generaldirektor Rosterg am Montag den 11.9.1944 und der Bitte um Zimmerbestellung im Hotel "Schwarzes Ross" in Naumburg, Telegramm an Wintershall; Werk Lützkendorf), bis er im November 1944 Deutschland endgültig verlies. Der Zeitraum zwischen Juni und November 1944 scheint wohl einer der spannendsten des 2. Weltkrieges zu sein. Hierzu muss man die Geschichte um den Schweden Eric Erickson (OSS Codename: "Red") kennen. Erickson war ein in Amerika geborene Schwede. Er begann seine Karriere auf verschiedenen Ölfeldern in Amerika und ging später nach Schweden zurück und stieg ins Ölgeschäft ein. Auf Grund seiner Geschäfte mit Deutschland geriet er nach Kriegsausbruch auf eine Schwarze Liste der amerikanischen Regierung. Bei einem Empfang 1939 in Stockholm, kam Laurence Steinhardt (US-Botschafter in Moskau) der sich auf der Durchreise befand, auf Erickson zu und bot ihm an seinen Namen von dieser Liste zu streichen. Als Gegenleistung wollte er Informationen über die deutschen Treibstoffwerke. Erickson ging im Endeffekt auf den Handel ein.
Der Coup, der als größter Coup des OSS im 2. WK bezeichnet wird, begann damit, dass Erickson den Deutschen den fiktiven Bau einer modernen und großen Benzinraffinerie in Schweden suggerierte. Diese sollte aus dem neutralen Schweden (Bombensicher vor den Alliierten!) das Deutsche Reich ausreichend mit Treibstoff versorgen. Dazu kontaktierte er seinen Geschäftspartner und Freund August Rosterg (OSS War Report- Operations in the Field). Rosterg war nach OSS Report einer der größten Quellen für Erkenntnisse um die deutsche Benzinproduktion. Rosterg muss in diesen Plan eingeweiht gewesen sein, da er mit Hans Brochhaus (Assistent Rostergs) und Horst Erich Reinhold August von Wunsch (Ölwerke Julius Schindler Hamburg) als Agenten bei der OSS- Operation "POD" No.:103 aufgeführt wurden.
Erickson war mit seinen Plan einer Treibstoffanlage in Schweden und seinen Ausführungen über dieses Projekt so überzeugend, dass Himmler ihm Dokumente ausstellte, die es Erickson erlaubten sich frei im gesamten Deutschen Reich zu bewegen. Hinzu soll ihm Hitler selbst Mobilität garantiert haben, durch ein uneingeschränktes Benzinkontingente. Erickson besuchte daraufhin mehrere Treibstoffwerke im Oktober 1944, um sich ein Bild über die benötigte Technologie zu machen, wie er vorgab. August Rosterg hat diese einwöchige Besichtigungstour für Erickson organisiert und reiste mit. Stephan Talty verweist in seinem Buch "The Secret Agent: In Search of America's Greatest World War II Spy" auf einen Bericht Erickson zu dem Werk der Wintershall A.G. in Lützkendorf: "...Dieses Werk ist nur noch zu 20% betriebsfähig...". Erickson kartografierte bei seinen Besuchen jede Anlage, benannte Anlagenteile und gab Einschätzungen über die Werke ab. Der OSS schickte die Berichte weiter an die 8. US Air Force, die dadurch genaue Zielbereiche in den Werken definieren konnte. 1958 verarbeitete Alexander Klein die Geschichte in seinem Roman "The Counterfeit Traitor", die 1962 verfilmt wurde und unter gleichem Namen als Film in die Kinos kam (Dt. Titel "Verrat auf Befehl").
In dem Film wird Rosterg von Baron von Oldenburg verkörpert (Ernst Schröder). Erickson (William Holden) erpresst seine Zusammenarbeit mit dem OSS, durch die Erwähnung der englischen Kriegsgefangenschaft seines Sohnes. Dies könnte durchaus der Realität entsprochen haben, denn August Rostergs Sohn Wolfgang war in britischer Kriegsgefangenschaft in dem Lager Devizes. In dem Lager wurde ein Plan geschmiedet zum Ausbruch, der aber aufgedeckt wurde und die Inhaftierten verlegt wurden. Wolfgang Rosterg kam ins Camp 21 nach Comrie. Dieses berüchtigte Schwarze Lager war für fanatische Angehörige der Waffen-SS, Falschirmjäger, U-Boot Besatzungen usw. reserviert. Wolfgang Rosterg glaubte aber nicht mehr an den Endsieg und tat dies offen kund, was ein Fehler in dieser Umgebung war. Am 23.12.1944 stirbt Wolfgang (*17.12.1909) in dem britischen Kriegsgefangenenlager Camp 21 Comrie durch fanatische SS- und Wehrmachtsangehörige, die bis zum Schluss an Deutschlands Endsieg glaubten und Wolfgang Rosterg als Kollaborateur sahen. Die britische Presse berichtet mehrfach darüber, was vermutlich August Rosterg oder auch sein schwedischen Geschäftspartnern nicht entgangen sein wird. Im Herbst 1945 werden 8 Deutsche vor ein britisches Militärgericht gestellt und fünf zum Tode verurteilt. Die darauf folgende Exekution war die letzte Massenhinrichtung in England.
August Rosterg wohnte ab Oktober 1944 in Belfrages Hotel & Boardinghouse, Blasieholmstorg, no.9, Stockholm laut Registrierungskarte der Schwedischen Ausländerkommission.
Laut dem norwegischen Historik-Professor Tore Pryser, hatte die schwedische Geheimpolizei 1945 Kenntnis darüber erhalten, das Rosterg zusammen mit Gilel Storch und Ottokar von Kniriem in Schweden Geldwäsche betrieb. Dies wurde jedoch von Storch und Kniriem immer bestritten. Quelle der Erkenntnis war der lettische Doppelagent Edgar Claus/ >>Schönemann<<.
August Rosterg änderte mehrfach vor seinem Tod in Stockholm sein Testament handschriftlich (5.6.1945, 8.8.1945, 9.8.1945) Dabei setzte er seinen verbliebenen Sohn Heinz Rosterg ein und widerrief dies zu Gunsten der Wintershall. Vermutlich ist im Sommer 1945 der Kontakt nach Deutschland komplett abgebrochen, da seine Änderungen den Zusatz enthalten: "...Falls mein Sohn Heinz Rosterg nicht mehr leben sollte,..." . Seine Tochter Dorethea ist hierin nicht erwähnt.
Am 13. November 1945 stirbt August Rosterg im Sarafimer Hospital in Stockholm.
Otto Gotsche autobiografischer Roman "Zwischen Nacht und Morgen" 1955, Kapitel IV über August Rosterg
Gotsche war von 1941 bis 1945 im Treibstoffwerk Lützkendorf der Wintershall AG beschäftigt und baute hier eine Widerstandsgruppe auf, die in den letzten Kriegsjahren zu den zahlenmäßig stärksten gehörte . Nach dem Kriegsende war Gotsche 1. Vizepräsidenten des Regierungsbezirkes Merseburg und wechselte 1947 als Ministerialdirektor ins Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt. 1949 ging Gotsche nach Berlin, wo er in der Folge über zwei Jahrzehnte im engsten Umfeld Walter Ulbrichts arbeitete. Bis 1960 war Gotsche Ulbrichts persönlicher Referent und leitete dessen Sekretariat im Ministerrat, anschließend bis 1971 das Sekretariat des neugeschaffenen Staatsrates. Gotsche galt als Förderer der Bewegung schreibender Arbeiter der DDR.